MC Bikes & Projekte
MC Friends
- Basty
- Bodo
- Hendrik
- Riko
- Simon
Aktuelle Zeit: 23:55:41 06.10.2024
Letzte Aktualisierung: 24.01.2010
Nach häufigen Zuschriften, möchte ich hier Modifikationen zusammengefasst darstellen, um dem Seitenventil-Boxer mehr Kraft zu entlocken (extra aufgebaute Maschinen für Oldtimerrennen auf geschlossenem Gelände) . Dieser Erfahrungsbericht soll den Interessierten die Hintergründe näherbringen, die zu einer standfesten Leistungssteigerung an und jenseits von 26 kW (bis zu 40 PS) führen können.
Angeregt durch diverse Webseiten und Berichte über Flathead-Tuning von alten 750 cm³ Harleys (V-Twin), sowie Modifikationen an Flathead-V8-Motoren von Ford, habe ich zur damaligen Zeit die dort vorgestellten Änderungen versucht umzusetzen - was leider misslang. Der SV-Boxer weist aufgrund seiner andersartigen Konstruktion ein Strömungsverhalten auf, welches sich zwar nicht optisch, aber technisch wesentlich von amerikanischen Flathead-Harleys unterscheidet. Die dortigen Erfahrungen konnte ich bestenfalls nur als grobe Richtung interpretieren.
Berichte und Artikel über Flathead-Boxer-Tuning von deutscher Seite waren nicht zu finden und sind wenn, dann dünn gesät. Hier scheinen die Tuner jeweils ihre Erfahrungen nicht preisgeben zu wollen. Auch sind Kontakte zu bekannten OHV-Tunern nicht wirklich hilfreich, da deren Erfahrungen die Seitenventil-Motoren verständlicherweise nicht einschließt (ich hatte dazu beispielsweise auch eine Konversation mit Ulf Penner ).
Insofern betrat ich also Neuland, konnte nicht aus anderer Leute Erfahrungen schöpfen und tastete mich nach und nach ans Ziel. Die Eigenarten unseres Boxer-SVs herauszufinden war eine neue Herausforderung.
Hier nun dokumentiert für euch meine persönlichen Erfahrungen zu dieser Thematik.
Beim Aufbau des Motors ist zu Anfang streng auf einen guten Kurbeltrieb und genauen Steuerzeiten zu achten. Der Aufbau setzt sich grundlegend aus folgenden Komponenten zusammen:
Der Aufbau des Kurbeltriebs sollte klassisch wie bei jedem Neuaufbau erfolgen: Gute Kurbelwelle, saubere Steuerzeiten, große Ölwanne zwecks mehr Ölvolumen, stärkere Ölpumpe. Da dies hier keine besonderen Maßnahmen sind, ist es nicht nötig näher darauf einzugehen. ich erachte dies als Selbstverständlichkeit.
Die Montage moderner Kolben ist Pflicht! Die Standzeit mit den originalen Materialien und einer Leistungssteigerung ist äußerst gering! Ggf. in Verbindung mit einer in die Zylinder eingezogenen Laufbuchse .
Zum Aufbau eines guten und kräftigen Motors gehören also auch gute Kolben. Ich habe mich für die Mahle-Kolben in Verbindung mit in die Zylinder eingezogenen Laufbuchsen entschieden. Die Einzelheiten hierzu könnt ihr in dem verlinkten Artikel nachlesen.
Die Vermessung der Kanäle und der Steuerzeiten führte zu einer Ernüchterung. Ohne Änderung der Steuerzeiten und Anpassung auf die Gesamtänderungen am Motor lassen sich hier nicht die gewünschten Leistungsdaten erzielen. Der Motor ist im oberen Drehzahlbereich zugeschnürt. Hier helfen auch keine polierten und freigeräumten Kanäle.
Abhilfe schaffte die Neuberechnung der Steuerzeiten und des Ventilhubs. Hiermit kann der Motor dann auch im oberen Drehzahlbereich sauber durchatmen. Als Weitere Komponente kommt daher meine "Dampfnocke" zum Einsatz.
Weitere Änderungen bedürfen die Kanäle im Zylinder. Im Originalzustand sind diese regelrecht zugestopft mit Gussfehlern, Kanten und den in den Ansaugkanal ragenden, sehr sehr dicken Ventilführungen. Abhilfe schaffen wir durch freiräumen und moderates Glätten der Kanäle auf Ansaug- und Abgasseite.
Das nachdrehen der Ventilsitze oder einsetzen von Sitzringen, sowie das maschinelle schleifen der Ventile sind ebenso eine wichtige Maßnahme. Alle Originalventile (im Neuzustand) die ich bisher in den Händen gehalten habe, sind unrund geschliffen und wären ohne Bearbeitung undicht.
Bei jedem modernen Motor sind Einlass- und Auslassventile von unterschiedlicher Größe. Durch chemische und physikalische Gründe benötigen wir mehr Durchsatz beim Einlass, als beim Auslass, da verbrannte Gase durch die chemische Reaktion an Volumen verloren haben. Die Dampfnocke ist auf die originale Ventilgröße abgestimmt. Nach Erfahrungen von Umbauern, kann man mit der Dampfnocke ein Einlassventil bis 42 mm verbauen.
Verbaut man ein zu großes Einlassventil ohne andere Komponenten anzupassen, werden negative Effekte die Folge sein. Die Strömungsgeschwindigkeit und somit der Füllungsgrad sinken. Da nun das Einlassventil näher am Auslassventil sitzt, werden zudem mehr Frischgase während der Überschneidung in den Auslasskanal befördert. Frischgasverluste, sei es durch falsche Ventildimensionierung oder Undichtigkeiten, sowie nicht verbranntes Gemisch sind verschenkte Energie.
Als Vergaser kommen die Standard-PZ28 zum Einsatz. Die originale Hauptdüse ist zu ersetzen mit einer 112er oder 113er Hauptdüse (z.B. Dellorto M5-Hauptdüsen). Die Nadel steht zumeist optimal im 3. Nadelloch von oben im oberen Schieberloch des PZ28. Maximal kann man hier mit alternativen Typen bis 30 mm heraufgehen, wobei die Abstimmung dann anspruchsvoll wird. Die Ansaugrohre zum Luftfilterkasten können verbleiben. Die Länge für eine gewollte Gassäule stimmt exakt, wenn man sie genau hinter dem Eintritt in den Luffilterflansch (fester Flansch auf Getrieben mit Luftfilterflansch) enden lässt. Sie müssen hierzu also gekürzt werden. Die Metallwolle im Luftfilterkasten selbst wird durch einen echten Luftfilter ersetzt (MANN C1415 oder Vergleichbare).
Die Auspuffanlage als Element der Leistungsoptimierung ist nicht neu. Beim Ändern des motorinternen Gaswechsels und anderer Modifikationen, bedarf es auch einer Anpassung der Abgasanlage. Um die abgasseitige (negative) Druckwelle besser ausnutzen zu können, wäre es sinnvoll eine gänzlich neue Auspuffanlage zu konstruieren. Da dies jedoch nicht so ohne Weiteres möglich ist und auch einfach zu laut wäre, beschränken wir uns auf das Anpassen der Endschalldämpfer in Verbindung mit der originalen Auspuffanlage mit Verbindungsrohr . Die Endschalldämpfer die dem Optimum für die hier dokumentierten Modifikationen recht nahe kommen, sind erstaunlicherweise die Original Fischtail-Endschalldämpfer.
Die Endschalldämpfer werden so modifiziert, dass wir die mittig verschweißte Verbindung am flachen Endstück auftrennen und die Öffnung horizontal auf 30 mm aufweiten (inklusive Gehäusewandung). Die Schallbirne im Inneren wird am Eingang genau in der Mitte mit einem 16 oder 21 mm Loch versehen. Wichtig ist, die innere Birne dabei nicht zu deformieren! Das ggf. vorhandene Halteblech der Birne am Dämpfereingang sollte nicht quer, sondern längs ausgerichtet werden (chinesische Dämpfer haben dieses Halteblech verbaut).
Zur späteren Abstimmung des Motors ist eine elektronische Zündung mit verstellbarer Zündkennlinie notwendig. Ohne eine angepasste Zündkennlinie können wir nicht das ganze Potential ausschöpfen. Zumindest ist eine elektronische Zündung als Ersatz zu den Kontakten genrell empfehlenswert.
Jetzt kommen wir zu einem ebenfalls wichtigen Teil. Der Verdichtungserhöhung und der Verbesserung des Gaswechsels im Motor.
Beim Verbrennungsmotor sollte der Verdichtungsraum einer Halbkugel entsprechen, was technisch bei den Seitenventilmotoren umöglich ist. Der Verdichtungsraum ist seitlich versetzt angebracht, die Ventile stehen strömungsungünstig weit vom Zylinder entfernt, das maximal mögliche Verdichtungsverhältnis ist physikalisch begrenzt und der Verdichtunsgraum ist stark zerklüftet.
Insgesamt sehr schlechte Voraussetzungen für einen effizienten Motor! Wenn wir die Gegebenheiten zusammengefasst betrachten, ist es sehr plausibel, wieso die alte Seitenventilkonstruktion einen schlechten Wirkungsgrad aufweist. Der originale Aufbau unseres Seitenventilers ist im Vergleich zu den Flathead-Harleys insofern schon besser, weil wir einen symetrischen Kurbeltrieb haben. Die entstehenden Verluste durch die V-Motor-Kontruktion kommen bei den Boxermotoren nicht zum Tragen.
Um eine Leistungssteigerung durch eine höhere Verdichtung in Verbindung mit günstigerem Gaswechselverhalten nutzen zu können, müssen wir ersteinmal verstehen wie der Ladungswechsel im Seitenventiler funktioniert und wo wir hier ansetzen können.
Durch einen höheren Füllungsgrad mittels der geänderten Nockenwelle und den Kanälen haben wir zwar bereits eine Leistungssteigerung zu erwarten, jedoch wird Diese durch die ineffiziente Verbrennung gemindert. Um den spezifischen Wirkungsgrad zu erhöhen, müssen wir das jetzt mehr im Zylinder vorhandene Kraftstoff/Luft-Gemisch möglichst vollständig verbrennen. Ohne Erhöhung der Verdichtung können die neuen Steuerzeiten nicht ihr Potential ausspielen. Die Verbrennung läuft zu langsam ab, die gewollte Verwirbelung im Verbrennungsraum ist zu gering und die Gasdrucksäule der Abgasseite trifft zu spät ein.
Was passiert beim Ladungswechsel?
Wie auf den Bildern angedeutet, bewegen sich die Gase durch die halbe Quetschkante nur unzureichend. Die Quetschkante selbst ist zwar sehr wichtig, jedoch in der originalen Ausführung ungenügend. Desweiteren wird der Drehimpuls vom Ansaugtrakt stark behindert und die gewollte Verwirbelung ist äußerst gering.
Nach Experimenten bin ich zu der im dritten Bild angedeuteten Ausführung gelangt. Sie zeigt eine massivere Quetschkante, die mit einem bestimmten Längs, sowie Querwinkel ausgestaltet ist. Die Kompression wird hierdurch mit K750-Zylinderdeckeln auf max. 7,5:1 erhöht (je nach Deckel, schwankt).
Welche positiven Effekte entstehen durch diese Anordnung?
Die logische einfachste Wirkung welche sich positiv auswirkt, ist die höhere Kompression und der damit einhergehenden schnelleren Verbrennung. Eine Kompressionserhöhung von 1, also beispielsweise von 6,5 auf 7,5 erhöht den spezifischen Wärmewirkungsgrad im Verbrennungsmotor um 10-12%, da sich die Moleküle näher beieinander befinden und schneller, vollständiger und mit höherer Temperatur verbrennen können. Desweiteren erhöht sich der spezifische innere Verbrennungsdruck. Beides führt bereits zu einer Leistungssteigerung in Verbindung mit allen anderen Maßnahmen.
Ein weiterer, sehr wichtiger Effekt für den Seitenventiler ist die gesteuerte Strömung und entstehende sehr starke und schnelle (gewollte) kreisförmige Wirbel. Die größere Quetschkante beschleunigt zudem die komprimierten Gase schlagartig in richtung Zündkerze. Da sie ihr Drehmoment vom Ansaugtrakt behalten haben, wird diese kreisförmige Verwirbelung extrem beim Kompressionsvorgang beschleunigt. Diese schnell drehenden Gase führen ihre Bewegung weiter im Kompressionsraum über der Zündkerze fort.
Zusätzlich werden die sich drehenden Gase durch die Quetschkante ins rollen versetzt. Diese extremen Beschleunigungen führen zu einer recht vollständigen, effizienten Verbrennung (für Seitenventiler, nachweisbar am HC-Wert). Beim Ausstoßen der verbrannten Gase, wirken wiederum die sich nunmehr jedoch geringer wirbelnden Gase positiv aus. Das Drehmoment bewirkt ein schnelles Ausströmen der Gase.
Wie beim Ansaugtrakt arbeitet die Massenträgkeit der angesaugten Luftmasse für uns. Die Dampfnocke lässt das Ventil ausreichen lang und weit geöffnet, jedoch nicht zu viel als dass die strömenden Gase eine zu geringe Geschwindigkeit hätten. Durch die alte Form des Deckels wurde dies ebenfalls stark beeinträchtigt. Die Position des Einlassventils führt zu einem Drehimpuls, welcher durch die neue Quetschkante ungehindert seine kinetische Energie beibehalten kann und seine Energie nicht an der alten Quetschkante verliert. Weiterhin ist bei alter Deckelform die Strömungsgeschwindigkeit einfach zu gering. Je höher die Strömungsgeschwindigkeit bei gleichzeitig maximalem Durchfluss, erhöht sich der Füllungsgrad immens, da die Massenträgkeit trotz sich schließendem Einlassventil weiterhin Frischgas in den Zylinder befördert.
Manche Flathead-Tuner schleifen in die Fläche vom Zylinder ein Relief und erhoffen sich dadurch zusätzliche positive Effekte. Beispielsweise wird die Kante Kolbenseitig strömungsgünstig umgestaltet und ein “Graben” in Richtung Auslassventil eingeschliffen.
Diese Art der Modifikation ist umstritten, ich persönlich rate bei unseren Motoren dringend davon ab ! Die Zylinder des Russenboxers sind wie auch die BMW-Zylinder bereits mit einer versenkt sitzenden Rampe ausgestattet. Durch ein Relief im Zylinder wird die Verwirbelung stark beeinträchtigt, das Verdichtungsverhältnis wird verringert und es bilden sich zu der sowieso schon ungünstigen Brennraumform weitere mögliche Zündnester. Zielführend wären hier nur neu konstruierte und abgestimmte Zylinderdeckel.
Die ungünstigere Brennraumform des SV können wir nicht so einfach ändern. Wir können aber die Bewegungen der Gase im Motor optimieren. Wir erreichen also mit einer neuen Brennraumform, den extrem beschleunigten Gasen und der Quetschkante eine 3-Dimensionale Verwirbelung (Drehen/Rollen), welche uns hilft die Frischgase möglichst vollständig zu verbrennen. Die Zylinderdeckel habe ich WIG-geschweißt (Einstellung: AC 170 A) unter Verwendung von 3mm Alu-Guss-Schweißdraht. Die Deckel lassen sich nach vorherigem Beschleifen wirklich erstaunlich gut schweißen! Anschließend wurden sie grob mittels großer Schleifscheibe bearbeitet und danach fein bis zur Abstufung auf grobe Polierscheiben.
Die Grafik rechts zeigt die Masse zur Umsetzung der Vorgaben anhand einer Ablichtung des linken Zylinderdeckels. Analog dazu sollte der rechte Zylinderdeckel gleichwertig bearbeitet werden.
Beim Beschleifen der Zylinderdeckel ebenfalls auf gute Deckung der Dichtflächen achten. D.h. überstehende Kanten am Deckel beschleifen und an die Dichtfläche der Zylinder strömungsgünstig anpassen.
Viel Spaß beim Experimentieren!